Viennacontemporary

In Dialogue | Eva Presenhuber

Galerie Eva Presenhuber

Der künstlerische Leiter Boris Ondreička traf die Galeristin Eva Presenhuber, die, nachdem sie bereits seit Jahrzehnten erfolgreich die Kunstszene in Zürich und New York bespielt, nun in ihre Heimat Österreich zurückgekehrt ist und eine Galerie in Wien eröffnet hat.


 

Boris Ondreička: Vielleicht fangen wir ganz am Anfang an – Du hast ja selbst Kunst studiert?

Eva Presenhuber: Genau, an der Universität für angewandte Kunst in Wien, zuerst in der Klasse von Oswald Oberhuber und dann bei Ernst Caramelle.

 

Hast du noch alte Werke von dir im Archiv?

Nicht in meinem Archiv (lacht), aber mein Cousin und eine andere Person haben damals Werke von mir gekauft, die hängen immer noch an ihren Wänden.

 

Welche Art von Kunst ist das?

Im Grunde habe ich versucht, Künstler:innen zu kopieren, die ich bewunderte (lacht) – was natürlich unmöglich ist. Das brachte mich zu dem Schluss, dass ich keine richtige Künstlerin bin, also habe ich etwas anderes mit meiner Ausbildung gemacht.

 

Du wurdest also von einer aktiven Künstlerin zur Unterstützerin.

Ich war nie eine aktive Künstlerin. Ich habe in den 80er Jahren Kunst studiert und davor eine Keramikschule in Stoob und Graz besucht. Es war ein langer Prozess, der sich aber gelohnt hat, denn ich habe durch ihn erkannt, dass ich gut über Kunst reden und Menschen davon überzeugen kann. Schon bei meiner Abschlussarbeit, beschloss ich, eine kuratierte Ausstellung zu machen, anstatt meine eigenen Werke zu zeigen. Ich habe gerne kuratiert – bereits 1988 habe ich eine große Gruppenausstellung mit dem Titel „Melencolia“ bei Grita Insam kuratiert, die ein großer Erfolg war.

 

Wessen Kunst hast du als Abschlussarbeit präsentiert?

Man ließ mich keine Gruppenausstellung kuratieren, also lieh ich mir Werke von Ugo Rondinone aus, der ein Freund und Kommilitone war. Es waren Stühle im Stil der 50er Jahre, die in verschiedenen Grautönen gestrichen waren, auf eigene Art futuristisch. Es war eine frühe Arbeit, die er während seines Studiums gemacht hat – und mit dieser Arbeit habe ich meinen Abschluss gemacht. Ich hoffe, dass ich jetzt die Urkunde nicht zurückgeben muss, wenn ich das so erzähle (lacht). Das ist eine Geschichte, die ich gerne erzähle, weil es eine so unglaubliche, großzügige Geste von Rondinone war, dass er mir seine Arbeit zur Verfügung stellte, damit ich mein Studium fertigstellen konnte, und dann noch sagte: „Du solltest meine Galeristin werden! Eröffne doch eine Galerie in Zürich!“ Dieser Gedanke, nicht mehr selbst Kunst zu machen, war eine große Erleichterung – und so geschah es dann auch. Der Walcheturm war mein erster richtiger Job.

 

 

Foto: Tim Dornaus

 

 

Ich habe ihn 1991 besucht, und ich erinnere mich noch an dich dort.

Es war ein großartiger, schöner Raum in einem wunderbaren Gebäude – ein Regierungsgebäude aus den 30er Jahren. Sie suchten eine Galeristin mit Ideen für Programme in einer offenen Ausschreibung, und da habe ich mich einfach beworben und bekam die Stelle – vielleicht, weil ich diese Gruppenausstellung bei Insam gemacht hatte und gerade mit der Schule fertig war. Das waren meine ersten acht Jahre, in denen ich ein Programm aufbaute.

 

Und dann kam der Übergang von Nonprofit zu Profit…

Es war immer Nonprofit, weil es kein Geld gab (lacht). Zum Glück betrug die Miete nur CHF 1.000, was selbst vor 35 Jahren sehr billig war für die Schweiz. Das ließ uns irgendwie über die Runden kommen, und Gott sei Dank traf ich dann einen großen Sammler, der begann, mein Programm zu sammeln: Franz Wassmer, der schon seit vielen Jahren ein großer Dieter Roth-Sammler in der Schweiz gewesen war – das hat mich über die acht Jahre wirklich gerettet.

 

Wirklich, der Walcheturm hat sich durch Verkäufe finanziert?

Es gab eigentlich keine Finanzierung. Nach einem Jahr habe ich einen neuen Vorstand aufgebaut, der sehr erfolgreich war, weil ich großartige Leute bekommen habe, wie Andi Stutz von Fabric Frontline, Peter Nople, ein sehr bekannter, sehr guter Anwalt, Beat Kurti, ein Großindustrieller, der gesammelt hat, und eben Franz Wassmer, der sehr intensiv gesammelt hat. 1996 traf ich dann Hans-Ulrich Obrist mit seinem Schulfreund Iwan Wirth, der auch in den Vorstand kam. Iwan hatte sehr gute Verbindungen, vor allem zu seiner jetzigen Schwiegermutter, Ursula Hauser, die ihn unterstützte, weil er sehr jung war und sie an ihn glaubte. Ursula begann also, Werke von Franz West, Fischli / Weiss und vielen anderen zu kaufen, das brachte die Galerie zum nächsten Level: Fischli / Weiss stellten `92 bei mir aus, Ugo in 1990, Urs Fischer dann in `96, Franz West ein Jahr davor und Pipilotti Rist… ich hatte also das große Glück, schon sehr früh ein Programm mit richtigen Größen zu machen. Auch wenn die ganz jungen unter ihnen damals noch nicht als Größen zählten, so waren sie doch sehr ehrgeizig und ich wusste das! Die etablierten unter ihnen, wie Fischli/Weiss, Jean-Frédéric Schnyder und Ugo Rondinone verschafften mir einen sehr guten Ruf in der Schweiz. Ich war jahrelang sehr aktiv in der Szene, ging zu jeder Eröffnung in Genf, Bern, Basel…Das hat Spaß gemacht! Es war die Zeit, als die zeitgenössische Kunst an Bedeutung gewann und viele neue Galerien eröffneten, so auch die Kunsthalle Zürich.

 

Ja, ich erinnere mich noch, auch die Appartmentausstellungen…

Das weiß ich nicht mehr, aber es gab auch diese illegalen Bars…Aber die Eröffnung der Kunsthalle in den frühen 90er Jahren war wirklich ein Schlüsselmoment, der die Landschaft für zeitgenössische Kunst in der Stadt komplett veränderte. Ich hatte das Glück, in einer großartigen Periode zu beginnen, die sehr aufregend war. 1998 sagte Iwan, dass er mit Ursula und seiner Frau Manuela eine Galerie eröffnen würde, also bot ich an, mein Programm dort zu machen, wenn ich dafür einen separaten Raum bekommen würde. Das lief fünf Jahre lang sehr gut, bis ich keine Lust mehr hatte, eine Angestellte zu sein, und mit meinem Programm ausstieg.

 

 

Foto: Tim Dornaus

 

 

Und daraufhin hast du LISTE gegründet?

Die Idee zu LISTE hatte ich eigentlich schon 1996, als wir mit dem Walcheturm nicht auf die Art Basel kamen – was ich rückblickend besser verstehe, ich meine, wir waren einfach zu jung (lacht). In Köln gab es mit der Unfair eine Kunstmesse für solche Galerien, also schlug ich vor, dasselbe in Zürich zu gründen. Der Grafikdesigner, den ich engagierte – er ist jetzt ebenfalls Galerist in Zürich – gab der LISTE ihren Namen.

 

Was ist die Bedeutung dahinter?

LISTE, weil man für eine bestimmte Zeit auf einer Art Warteliste steht, in diesem Fall für die Art Basel. Ich hatte ein bisschen Angst, dass die Messe uns daraufhin für immer ausschließt, aber sie war sehr entspannt. Nach der ersten LISTE-Ausgabe sahen sie sogar das Potenzial einer zweiten Messe, weil vor allem jüngere Galerien sich nicht so sehr für die Art Basel interessierten. Also gründeten sie ein neues Format, um jüngere Galerien anzusprechen, mit kleineren Ständen, Einzelausstellungen und Projekten.

 

Die erste Ausgabe war also ein großer Erfolg?

Alle waren sie da – David Zwirner, Gavin Brown, die Galerie Neugerriemschneider. Ich sagte zur Art Basel: „Solange ihr niemanden aus der jüngeren Generation im Vorstand habt, werdet ihr sie auch nicht verstehen können.“ Also fragten sie mich, wen sie in den Vorstand holen sollten – es war Pierre Huber, der mich fragte – und ich sagte, nimm Esther Schipper. Sie war diejenige, die dieses neue Format ins Leben gerufen hat, und ich glaube, dass dies die Art Basel zur richtigen Zeit verändert hat. In den späten 90er und frühen 2000er Jahren gab es einen großen Generationswechsel bei den Künstler:innen und Galerien, und Art Basel hat das verstanden und richtig darauf reagiert. LISTE ist auch deswegen immer noch so erfolgreich, weil es für Galerien schön ist, gesehen zu werden und von einem Ort zu profitieren, an dem so viele Sammler:innen und Kurator:innen zusammenkommen. Es ist eine schöne Messe. Peter Bläuer, den ich schon von früher her kannte, weil er eine große Gruppenausstellung mit Fischli/Weiss und Ugo Rondinone gemacht hatte, wohnte in Basel, und so hat er den ersten Raum für die LISTE gefunden und sie dann geleitet.

 

Im Jahr 2003 hast du dann deine eigene Galerie gegründet. Heuer feierst du also dein 20-jähriges Jubiläum als Galeristin!

Ich sehe es eher als 35 Jahre (lacht). Ich meine, ich hatte nicht immer meine eigene Galerie, aber ich habe immer mein eigenes Programm gemacht, das ist für mich kein so großer Unterschied. Natürlich war es ein guter Schritt, einen eigenen Raum zu eröffnen, und als tatsächlich alle Künstler:innen mit mir kamen, da war ich sehr glücklich – und es gab der Galerie gleich einen guten Ruf, weil es von Kontinuität zeugte.

 

Heute betreibst du vier Dependancen in drei Städten und vertrittst mindestens 46 Künstler:innen. Das ist ein enormer logistischer Aufwand; wie organisierst du diese monumentale Struktur?

Wir haben ein tolles Team, hauptsächlich in Zürich, wo rund 20 Leute sitzen – Technik, Buchhaltung, Transport, Archiv, PR, Praktikant:innen und Sales, sowie drei Personen hier in Wien. In New York hatte ich vier festangestellte Mitarbeiter:innen, aber wir schließen den Ausstellungsraum dort jetzt. Wir haben dort sehr gute Arbeit für viele junge Künstler:innen geleistet, die vorher keine Galerie in New York hatten und inzwischen eine gefunden haben. Das war das Ziel. Außerdem habe ich jene Ausstellungen gemacht, die ich machen wollte. Ich denke, die Stadt hat uns gut gedient und vice versa. Jetzt ziehen wir weiter und konzentrieren uns auf Asien: Wir haben einige Ausstellungen in Seoul, wo uns ein kleiner Raum angeboten wurde. Jetzt können wir dort mehr Energie reinstecken – ebenso wie in Wien.

 

Wie kam es zu der Entscheidung, nach all den Jahren hierher zurückzukehren?

Die Räumlichkeiten habe ich während Pandemie gefunden. Ich habe bereits in den Jahren davor immer wieder mal darüber nachgedacht und sogar nach Räumen in Wien gesucht, und jedes Mal sah ich im folgenden Jahr einen noch größeren Raum an der nächsten Ecke, aber entschied mich dann doch immer dagegen. Wir hatten nie viele Sammler:innen aus Wien und sehr wenige Verkäufe, also wussten wir, dass hier nicht das große Geld zu verdienen ist, aber ich liebe die Atmosphäre der Stadt einfach. Meine Schwestern und meine Mutter sind hier. Mein Freund George, der in L.A. lebt, liebt die Stadt auch; er ist hier aufgewachsen, weil sein Vater bei der UNO gearbeitet hat. Eine Galerie hier zu haben, schien ein guter Grund dafür zu sein, mehr Zeit in Wien zu verbringen. Schlussendlich führt mich die Galerie gar nicht so oft hierher wie gedacht – aber jetzt haben wir sie nun mal.

 

 

Foto: Tim Dornaus

 

 

Sammelst du selber Kunst?

Nun, wie die meisten Galerist:innen kaufe auch ich Kunst. Entweder, weil man nicht genug verkauft hat und der/die Künstler:in Geld braucht, oder man tut es, weil man ihn/sie mag, weiß, dass es eine gute Investition ist oder etwas, das man haben „sollte“, weil es später an Wert gewinnen wird. Man kauft bei einer Auktion, weil man eine:n Künstler:in unterstützen und schützen möchte, oder man hat eine Menge Produktionskosten vorgestreckt und kann sie nicht zurückbekommen, also tauscht man sie gegen Werke ein – es gibt unendlich viele Gründe, wie die Sammlungen zusammenkommen. Und ja, ich habe inzwischen eine schöne Sammlung.

 

Haben Sie einen Rat für junge oder zukünftige Galerist:innen?

Der einzige Weg ist es, sein Programm sehr ehrlich durchzuziehen, und wenn man talentiert genug ist, werden junge talentierte Künstler:innen kommen. Große Künstler:innen finden gute Galerist:innen, und es ist keine gute Idee, zu viel zu mischen oder zu kommerziell zu werden, weil große Künstler:innen das nicht mögen. Finden Sie Ihre Crowd. Am besten fängt man mit Künstler:innen aus der eigenen Nachbarschaft an – wenn Sie in Wien sind, fangen Sie mit österreichischen an, es gibt hier so viele. Dann versuchen Sie, langsam und stetig zu wachsen, indem Sie ein Programm machen, für das Sie bewundert werden.

 

Und für uns als Kunstmesse?

Ihr macht das super mit dem Fokus auf Osteuropa. Ihr bringt die Länder und Menschen rund um Österreich zusammen, das war die Kernidee. Natürlich haben es die östlichen Länder etwas schwerer als westliche Länder wie Frankreich, Deutschland oder die Schweiz, weil sie weniger Unterstützung von Institutionen und Galerien und weniger Interesse vom Markt haben. Nehmt also die besten Galerien, die Ihr bekommen könnt!

 

Momentan zeigt ihr Fischli / Weiss in der Wiener Galerie – die Ausstellung ist wunderschön installiert. Hat die Ausstellung auch eine persönliche Bedeutung für dich? Dich verbindet ja eine lange Vergangenheit mit den Künstlern.

Natürlich, wenn man so viele Jahre – von 1992 bis heute – mit so berühmten und großartigen Künstlern zusammenarbeitet, altert man auch gewissermaßen gemeinsam. Wir haben viele Ausstellungen zusammen gemacht, viele davon waren institutionelle Ausstellungen – mehr als viele Künstler normalerweise machen. Ich bin sehr dankbar, dass wir immer noch zusammenarbeiten. Leider ist David Weiss 2012 verstorben, im selben Jahr wie Franz West. Wir arbeiten mit dem Nachlass, der von Peter Fischli und den Kindern von David Weiss vertreten wird. Wir sind drei Galerien, die den Nachlass verwalten, und jetzt sind wir wieder aktiver mit Galerieausstellungen und institutionellen Ausstellungen. Die letzte große Ausstellung war im Guggenheim Museum und es gab auch eine in der Fondation Beyeler. Mit Peter Fischli hatten wir letztes Jahr eine Ausstellung in Zürich, mit den Flughäfen und Autos, die sehr gut lief, und so fragte ich ihn, ob er eine Ausstellung in Wien machen wolle. Fischli / Weiss haben hier immerhin zuletzt vor 25 Jahren ausgestellt. Peter Fischli sagte, lass uns doch die Polyurethanobjekte machen…. und so ist es passiert.

 

 

Installationsansicht, Peter Fischli David Weiss, Polyurethane Objects, Galerie Eva Presenhuber, Wien, 2023