Viennacontemporary

Vom Hobbykauf zur Kunstinstitution

Collector Interview: Pavlína und Petr Pudil

Pavlína und Petr Pudil wollten eigentlich nur eine Dekoration für ihr Wohnzimmer erstehen. Zwanzig Jahre später hat das Ehepaar nicht nur eine Stiftungssammlung mit 3.000 Werken der bedeutendsten Künstler:innen Tschechiens und den umliegenden Ländern von der Moderne bis heute aufgebaut, sondern auch die Kunsthalle Praha gegründet, eine spannende junge Institution, die ebendiese Sammlung mit internationalen Künstler:innen in Dialog setzt. Wir sprachen mit Petr und Pavlína Pudil über ihren Werdegang von „Freizeitsammlern“ zu Gründern einer bedeutenden Kunstinstitution.


 

 

Sie leben in einem Haus voller Kunst, die Sie lieben, die aber nicht Ihnen, sondern der Stiftung gehören. Sind Sie nicht traurig, wenn Werke – oft nach Jahrzehnten des Zusammenlebens – als Leihgabe in internationale Museen oder in die Kunsthalle weiterziehen?

Pavlína Pudil: Für mich liegt der Sinn des Sammelns im Teilen. Leihgaben sind eine gute Gelegenheit dazu und helfen, unsere Sammlung sichtbar zu machen. Wir verleihen an viele Institutionen: unser größtes Werk von Kiki Kogelnik haben wir vor drei Jahren der Albertina Modern anlässlich ihrer Eröffnung geliehen. Kürzlich haben wir einen Monet verkauft – den ich vermisse ich schon ein bisschen. Aber da er aus dem 19. Jahrhundert stammt, unsere Sammlung aber im 20. beginnt, passt er nicht wirklich hinein und wir haben uns von ihm getrennt, um mehr zeitgenössische Kunst kaufen zu können.

 

Wie haben Sie begonnen, zu sammeln?

Pavlína: Das war vor mehr als 20 Jahren, mit einem Ölgemälde einer recht unbekannten tschechischen Malerin, Zdeňka Marschalová. Wir haben es eigentlich für die Dekoration unseres Wohnzimmers erworben, uns gefiel es einfach. Damals hatten wir noch keine Ahnung von Kunst, aber Sie wissen ja, wie das ist: es wird ziemlich schnell zur Sucht. Man betritt diese große, neue Welt und verbringt etliche Stunden damit, sich weiterzubilden. Und plötzlich merkt man, dass man nicht nur Kunstliebhaberin ist, sondern zur Sammlerin geworden ist.

Petr Pudil: Das erste Gemälde, das wir für unsere Sammlung kauften, war „Schwarzer Pierrot“ von Jindřich Štyrský. Unsere Sammlung begann also mit tschechischer moderner Kunst, was den Ton für die Zukunft angab.

 

Pavlína und Peter Pudil. Fotos: Maria Belova.

 

Vom Kauf des ersten Gemäldes bis zur Gründung der Kunsthalle Praha – das ist eine ernorme Entwicklung. Wie kam es dazu?

Pavlína: Wir wollten etwas Sinnvolles mit unserer Kunst machen und waren der Meinung, dass die tschechische Kunstszene etwas Unterstützung gebrauchen könnte. Anfangs haben wir die Nationalgalerie unterstützt, aber aus unserer Sicht war das nicht effizient genug.

Petr: Als dann dieses Gebäude auf dem Markt erschien, wussten wir sofort, dass das eine einmalige Gelegenheit ist. Dieses alte Industriegebäude hat eine so tolle Lage. Als Immobilienentwickler bin ich überzeugt, dass es in Prag kein anderes Gebäude wie dieses gibt. Von diesem Zeitpunkt an haben wir uns überlegt, wie die Vision und das Programm aussehen sollten, und haben begonnen, die ersten Leute für unser Team einzustellen, die bis heute bei uns sind. Wir haben dreieinhalb Jahre gebraucht, um das Haus herzurichten.

 

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse nach eineinhalb Jahren Jahren Kunsthalle Praha?

Petr: Ein Museum zu leiten ist der schwierigste Job, den ich je gemacht habe. Bei einem Unternehmen genügt es normalerweise, wenn man in ein oder zwei Kernbereichen heraussticht. Um als Kunstinstitution erfolgreich zu sein, muss man so gut wie alle Bereiche perfekt beherrschen, vom Marketing über die Gastronomie bis zum Besucherservice; dann noch die Ausstellungsrecherche, Publikationsrecherchen, und natürlich den Aufbau der Sammlung.

Pavlína: Wir haben auch gemerkt, wie sehr sich das Leben eines unabhängigen Sammlers von dem eines institutionellen Sammlers unterscheidet. Unsere Perspektive hat sich völlig verändert. Jetzt sammeln wir aus der Sicht einer Institution, um die Lücken in unserer Sammlung zu füllen. Wir haben ein Team und eine Strategie. Und wir konzentrieren uns auf die Stücke, die für die Sammlung langfristig wichtig sind.

 

Pavlína Pudil präsentiert einen Teil der Kollektion in ihrem Eigenheim. Fotos: Maria Belova.

 

Wie entscheiden Sie, was Sie für die Sammlung ankaufen?

Petr: Normale Sammler:innen können etwas kaufen, nur weil es ihnen gefällt oder sie gerade Lust haben. Aber da jedes Budget begrenzt ist und der Betrieb der Kunsthalle ziemlich teuer ist, müssen wir jeden Kauf sorgfältig abwägen. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind wünscht sich ein neues Fahrrad – erfüllt man ihm den Wunsch oder entscheidet man sich für ein schickes neues Mountainbike für sich selbst? Bei einem limitierten Budget geht natürlich der Wunsch des Kindes vor. In unserem Fall stehen die Interessen der Kunsthallen-Sammlung über unseren privaten Wünschen.

Pavlína: Wir trennen uns bereits von einigen Werken, damit wir neue Stücke kaufen können. Auch das gehört zum Sammeln, denn eine Sammlung ist ein lebender Organismus, sie entwickelt sich ständig weiter. Das macht es so interessant.

 

Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach private Sammler:innen und Institutionen bei der Gestaltung der tschechischen Kunstszene?

Petr: Einer der Vorteile eines privaten Sammlers und einer privaten Einrichtung besteht darin, dass man keine treuhänderische Verpflichtung gegenüber den Steuerzahler:innen hat und bei der Auswahl der Sammlung flexibel sein kann. Diese Flexibilität, die Sammlung einzugrenzen oder das Thema zu wechseln, ist sehr erfrischend. Diese Freiheit der Kalibrierung macht eine Sammlung noch besser. Lokale Einrichtungen haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, etwas zu verkaufen, was auch begrenzte Möglichkeiten bedeutet, etwas Neues zu erwerben.

 

Ausstellungsansichten Elmgreen & Dragset: READ at Kunsthalle Praha. Fotos: Maria Belova.

 

Finden Sie, dass die Regierung genug unternimmt, um zeitgenössische Kunst in der Stadt zu unterstützen?

Petr: Eine Gesellschaft, in der Künstler:innen eine wichtige Rolle spielen, ist viel stabiler ist, wenn sie von Menschen und nicht von Regierungen getragen wird. Die gute Absicht ist da, aber die Hilfe ist nicht so effizient, wie sie sein könnte. Die Regierung bestätigt, worauf sie stolz ist: eine liberale Stadt zu sein. Die Folgen sind ihnen nicht so wichtig. Das ist gut und schlecht. Das Gute ist, dass sich die Regierung nicht in die Kunstszene einmischt und ihr völlige Freiheit lässt. Dieses Gebäude ist ein perfektes Beispiel dafür, denn unsere Nachbarn sind die Regierung und das Parlament der Tschechischen Republik, und wir hatten nie irgendwelche Fragen oder Eingriffe.

 

Was ist die langfristige Vision hinter Ihrer Sammlung und der Kunsthalle Praha?

Petr: Von Anfang an war es der Plan, Kunst aus der Region kaufen und sie in einen Dialog mit internationalen Werken zu setzen. Die Sammlung basiert auf langfristigen Leihgaben anderer Sammler:innen – lokalen, aber auch aus der Slowakei, Ungarn und anderen Ländern der östlichen Regionen.

Pavlína: Fast unsere gesamte Sammlung ist online zu finden – wir wollen eine Plattform sein, die man konsultiert, um zu erfahren, welche Kunst relevant für unsere Region ist. Kunst ist sehr inspirierend, und sie bringt mich auf so viele Fragen und Ideen. Sie hilft mir, unser Leben und unsere Gesellschaft zu verstehen. Ohne sie würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Es würde etwas fehlen. Und das wollen wir teilen.

 

Kunsthalle Praha. Copyright: Andrea Thiel Lhotáková / pudilfamilyfoundation.org